Dentalpin 2020

Dentalpin 2020

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Das Dentalpin 2020, im schönen Davos. Auf 1560m stimmte die Kulisse, das Programm und vor allem auch die Atmosphäre.

Ungezwungen, unkompliziert, informativ

Alle sind per Du, unkompliziert, kollegial und freundlich. Man steckt nicht nur tagsüber die Köpfe zur Gruppenarbeit zusammen, sondern spielt abends Bingo oder schreitet gemeinsam durchs nächtliche Scheegestöber zur Alphütte. Dieser ungezwungene Umgang wird vom sympatischen wissenschaftlichen Leitungsteam, Dr. Alexis Ioannidis, Dr. Marco Zeltner und Dr. Samuel Huber geprägt. Die 3 Zahnärzte verbindet von der gemeinsamen Assistentenzeit beim ursprünglichen Dentalpin-Gründer Dr. Andreas Grimm, bis zum geteilten Büro an der Uni eine langjährige Freundschaft.

Organisatoren Dentalpin mit Gründer Dr. Andreas Grimm
OK Dentalpin Dr. M. Zeltner, Dr. A. Ioannidis, Dr. A. Grimm, Dr. S. Huber

«Unser Ziel ist es, diese freundschaftliche Athmosphäre auch auf die Teilnehmer zu übertragen. Wir sehen uns als Gastgeber vom Dentalpin und geben uns die grösste Mühe die TeilnehmerInnen, die Industrie und die Referentinnen zusammen zu bringen und eine positive Lernumgebung zu schaffen»

Jugendliche Zähne bei älteren Patienten?

Bestens verkörpert eben diesen Spirit, Damiano Frigerio. Der Tessiner Zahntechniker reist seit Jahrzehnten wöchentlich nach Zürich um an der Uni als Instruktor zu arbeiten. In Davos stellt Frigerio bisherige Dogmen, Algorithmen, Denkansätze und Muster in der Prothetik in Frage. Er dozierte, wie seit jeher Zahnformen bei Männern eher eckig und bei Frauen in einer ovalen Form reproduziert werden. Aber wer sagt, dass das so sein müsse? Fragt Damiano ins Publikum. Er demonstriert, dass der berühmte Goldene Schnitt die Aesthetik ausmacht. Und propagiert, dass Zahnformen nicht nach Geschlecht, sondern nach Menschentyp eingesetzt werden sollten. Was man aber sagen könne sei, dass Männer generell längere, breitere Formen hätten als Frauen. Der Rest aber könne und müsse individuell gestaltet werden. So ist Damiano auch ein grosser Fan der Unregelmässigkeit.

«Gerade in der abnehmbaren Prothetik ist es extrem wichtig zu wissen, dass nur die Unregelmässigkeit zur Natürlichkeit führt».

Heutzutage laufen viele mit zu perfekten Zähnen herum, kritisiert Frigerio und sagt

„Ich bin nicht gegen die KFO, aber es ist die Individualität, welche die Aesthetik ausmacht.“

Deshalb stellt er in seinen Arbeiten manchmal den unteren Inzisiven etwas nach lingual, oder die oberen Einer in die Butterfly Stellung. Verschachtelt, verlängert oder verkürzt einzelne Zähne um mit dieser Disharmonie die gewünschte Harmonie zu erzeugen. Und wer sagt, dass jugendliche Zahnformen nicht auch bei älteren Patienten gut aussehen? Sinniert der Luganesi. Und tatsächlich, man staunt, die ältere Patientin auf dem Foto bekommt mit dem jugendlichen Zahnformen nicht nur ein neues Lächeln sondern gleich zusätzliche Attraktivität geschenkt.

Phonetik mit der richtigen Prothetik

Aber Schönheit allein genügt Frigerio nicht. Er demonstriert am Dentalpin 2020 anhand von Videos, in denen seine Patienten gewisse Worte aussprechen müssen, wie immens wichtig eine richtige Prothese und deren korrekte Inzisalkante für die Phonetik ist. Gewisse Silben konnten mit einer falschen Aufstellung gar nicht mehr prononciert werden. Erst mit einer Korrektur der Aufstellung gewannen diese Patienten ihre Sprache und Lebensqualität wieder zurück.

Dieser inspirierende Vortrag passt hervorragend zum Hauptthema «Aesthetik» des diesjährigen 16.Dentalpin 2020. Neben dem Vortrag von Damiano gefiel mir auch die Präsentation der Basler Zahnärztin Dr. Julia Amato sehr gut.

Die Kunst mit Kunststoff die Natur zu imitieren

Amato ist eine Zahnärztin mit grossem technischen Geschick. Für sie ist Komposit das Material der Stunde. Ich habe selten Kunststoff gesehen, also künstlichen Stoff, der so natürlich aussieht, wie bei Amato.

„Komposit-Restaurationen sind minimalinvasiv und haben das Potenzial invasivere Restaurationen möglichst hinaus zu zögern“

Sagt Dr. Julia Amato. So sind denn in ihrer Praxis auch häufig junge Patienten, oder solche die nicht möchten, dass die eigenen Zähne beschliffen werden. Oder natürlich jene, die sich zum Beispiel ein keramisches Veneer nicht leisten können.

Dr. Julia Amato

Gerade eine Lückenschliessung könne die Persönlichkeit verändern, deshalb zeigt Dr. Amato vorab dem Patienten mit einem Mock up das mögliche Resultat und kann es so in Absprache modifizieren. Gerade bei grossen Diastema empfiehlt es sich manchmal, die Lücke zu minimieren statt ganz zu eliminieren. Man sollte mit Komposit Rekonstruktionen möglichst supragingival bleiben, gut polieren und die Füllungen alle paar Jahre kontrollieren. Befolgt man ihren Rat, so betrage die Erfolgsrate bei approximalen Add ons nach 5 Jahren 89 Prozent.

Ein Kollege aus dem Publikum fragt, ob sich der Kunststoff mit der Zeit nicht verfärbe? Amato erwiedert:

„Wenn die heutigen, hochwertigen Kunststoffe richtig gut polymerisiert und auf Hochglanz poliert werden, sind sie farbstabil.“

Viele Wege führen (von Davos) nach Rom

Bei Dr. Ricardo Kraus, Oberarzt an der Uni Zürich ist das Publikum gar Experte und Zuschauer in einem und wird zur Mitarbeit aufgefordert. Ein Fall soll interaktiv gelöst werden. Dafür werden die Zuschauer in 3 Gruppen unterteilt. Jede Gruppe bekommt ein anderes Budget plus Röntgenbilder. Es geht um einen Fall mit alter Brücke im OK (diverse Pfeiler fraglich), im UK reicht die Bezahnung bis zum Prämolaren.

Ich erwarte einfach 3 Lösungen, merke aber bei meinem Rundgang von Team zu Team, dass sich die Behandler untereinander in der Gruppe gar nicht einig sind. Von der abnehmbaren Modellgusslösung über Fliegerbrücken im UK bis zur Implantation oder einfach alles so sein lassen im OK, gehen die Meinungen auseinander. Spannend! Praktisch jeder Zahnarzt hat einen eigenen Behandlungsplan. Viele Ideen werden rege diskutiert.

Workshop Dr. R. Kraus
Rege Diskussionen am Workshop

Die Materialwahl reicht von Zirkon monolithisch bis zur VMK. Nur eine Gruppe scheint sich einig zu sein und schliesst am Schnellsten ab. Wen erstaunts, es ist das Team mit dem kleinsten Budget von fiktiven Fr. 10’000.–. Bei den anderen heisst es wohl, wer die Wahl (oder die Mittel) hat, hat die Qual. Ich frage den Workshop-Leiter Dr. Ricardo Kraus ob er solch ein Resultat erwartet hat. Er bejaht, so gehe er auch an der Uni mit seinen Assistenten vor. Er bilde mehrere Teams und diese «pitchen» dann ihren Fall. Die beste Behandlung wird danach dem Patienten präsentiert.

Gemeinsam zum Erfolg

Die nachmittäglichen Workshops welche auf die Vorlesungsinhalte vom Vormittag abgestimmt sind, sind generell wirklich interessant. Mich freut es zu hören, dass diese auch in den nächsten Jahren stattfinden, wie Dr. Marco Zeltner vom Dentalpin sagt:

«Uns als Zahnärzten ist es bewusst, dass wir alleine nicht zum idealen Behandlungsziel kommen. Deshalb ist es uns wichtig, dass das ganze Team in Form von Zahntechnikern, DH’s und PA’s am Kongress integriert ist.»

Veneer Workshop bei ZT Andrea Patrizi
hands on Workshop am Dentalpin 2020 mit Zahnärtzen und Zahntechnikern
Dr. Marco Zeltner am hands on Workshop

Uni Zürich präsentiert Hightech und Handarbeit

Viel Erfahrung im Referieren hat der Oberarzt der Universität Zürich, Dr. Sven Mühlemann, der vor ein paar Tagen den PD Titel bekommen hat. Mühlemann ist im Team mit ZT Andrea Patrizi auf der Bühne und begeistert das Publikum in Davos mit schönen Fällen und dem workflow-Gemisch von Hightech und Handarbeit. Und auch hier lautet das Thema minimalinvasiv. PD. Dr. Sven Mühlemann:

„Vor lauter Minimalinvasität, hat man heute schon das Gefühl, wenn man einen Zahn beschleift, ein Verbrechen zu begehen. Das darf nicht sein.“

voller saal dentalpin vortrag mühlemann Patrizi
dentalpin 2020 Dr. sven mühlemann
PD Dr. Sven Mühlemann

Aber einfach schleifen gehe natürlich nicht. Diagnostik sei nötig. «Ein wichtiger Bestandteil der Minimalinvasivität ist, sich vorab Gedanken zu machen. Dabei sollte man auch an die KFO denken. Manchmal kann diese helfen eine Situation zu begünstigen sodass danach nur minimalinvasiv präpariert werden muss.» Mit einem Mock up und Diagnostik kann der Patient abgeholt werden. Mühlemann empfiehlt da, ein im Labor gefertigtes Mock up, denn mit einer schönen Vorschau wird dem Patienten ein grösserer Anreiz gegeben.

Sein Techniker, Laborführer an der Uni Zürich, ZT Andrea Patrizi ist ein Fan von Maschinen. Er demonstriert was alles mit Drucker oder der CAD Technologie machbar ist. Aber Patrizi sagt auch ganz klar, ohne Handarbeit funktioniert der digitale Workflow längst nicht. Er bringt das Beispiel von einem gedruckten Modell. Wenn er hier Veneers machen muss, muss er die Alveolar- oder sogenannten Gellerstümpfe dublieren und aus feuerfestem Material herstellen und das geht nur von Hand. Auch gepresste Lithium Disilkat Veneers muss Patrizi manuell ausarbeiten.

„Ich finde nicht, dass mich die Digitalisierung schneller arbeiten lässt. Aber im Laboralltag können, mit den entsprechenden Maschinen, gewisse Arbeitsschritte übernommen werden. So habe ich mehr Zeit mich auf das Wesentliche, wie das Finish der Zähne zu konzentrieren.“

„Klassentreffen“ oder warum viele wieder kommen

Zahntechniker am Dentalpin, Daniel Pally, Marion Gredig, Thomas Barandun
Dentalpin Teilnehmer:
Zahntechniker Pally, Gredig, Barandun

Genau das macht für mich das Dentalpin 2020 so spannend. Die Vermittlung von Studien, Wissen aber auch praktischen Tipps an den Vorträgen und den «Hands on»-Workshops. Und die Wahl der Referenten zeigt ausgezeichnet worauf es für mich in der modernen ästhetischen Zahnmedizin ankommt. Nämlich auf alles! Das ganze breite Spektrum, die Vielfältigkeit in Kombination miteinander. Mal funktioniert die Lückenschliessung mit Komposit, mal die Fliegerbrücke dank vorhergeschalteter KFO. Mal ist es die Disharmonie in der abnehmbaren Prothetik, dann wieder das perfekte Implantat für die festsitzende Rekonstruktion. So kann für jeden Patienten eine individuelle Lösung gefunden werden.

Am Dentalpin war alles dabei! Und so interessant vertreten, dass man sogar bei Pulverschnee und Sonnenschein lieber im Saal lauscht, statt die Piste hinabrauscht.

Fürs Skifahren also besser einen extra Tag einplanen! Das 16. Dentalpin findet vom 25.-28-Februar 2021 statt.

Dieser Artikel wird auch in der Zahnzeitung Schweiz ZZS 04/20 publiziert

davos parsenn dentalpin 2020
Davos Parsenn

http://www.zahnzeitung.ch

http://labor-gredig.ch/blog/

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