Fachkräftemangel: Wo sind die gut ausgebildeten ZahntechnikerInnen?

Fachkräftemangel: Wo sind die gut ausgebildeten ZahntechnikerInnen?

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In der Schweiz hat es zu wenig und zu wenig gut ausgebildete Zahntechnische Lernende. Dadurch entsteht der Fachkräftemangel ZahntechnikerInnen. Dies erzählt mir Roland Zellweger, Laborinhaber und Prüfungsexperte im Interview.

Herr Zellweger Sie sind Prüfungsexperte für die Lehrabschlussprüfung der Zahntechnikerinnen QV (Qualifikations-Verfahren). Seit wann beurteilen sie die Lehrabschlussarbeiten? Gefällt Ihnen diese Aufgabe?

Ja sehr! Ich mache das nun schon seit 11 Jahren.

Haben Sie in dieser Zeit schon das neue Ausnahmetalent a la Willi Geller entdeckt?

So kann man das nicht sagen, es gab schon grosse Talente darunter. Aber was mir vor allem auffällt ist die Differenz unter den Prüflingen betreffend Fachwissen. Leider sind es immer nur die Lernenden aus den gleichen Labors, die wirklich gut ausgebildet sind. Wogegen andere dann ein Manko haben.  Dies ist ein Riesenproblem, welches wir an der Gewerbeschule spüren, aber auch an den Überbetrieblichen Kursen, ÜKs, bemerkbar ist.

Erklären Sie doch bitte kurz, was ÜKS sind?

Das sind praktische Kurse, die der Lernende zusätzlich zur Gewerbeschule besuchen muss. 33 Tage insgesamt, aufgeteilt in 9 ÜKs. Diese finden blockweise in Zug statt. Die Üks sind keine Einführungskurse, sondern da sollte das Fachwissen schon vertieft werden.

Was kompliziert ist, wenn nicht alle Auszubildenden das gleiche Basiswissen mitbringen.

Ja viele wissen nicht, dass man schon etwas Können muss, um an den ÜKs teilzunehmen. Das macht es für den Referenten schwierig zu unterrichten.  Die Einen wissen, wie es geht und man kann die Materie vertiefen die Anderen machen es zum ersten Mal.

Wo sehen Sie konkrete Bildungs-Mankos?

Beim Keramik-Schichten zum Beispiel fällt das sicher sehr auf. Oder wenn es Auszubildende gibt, die mir sagen, sie hätten noch nie eine Prothese aufgestellt, aber bereits im 3ten Lehrjahr sind, dann stimmt mich das schon nachdenklich.

Diesen Sommer haben in der Deutschschweiz 33 ZahntechnikerInnen die Berufslehre abgeschlossen.  Also wenn ich es richtig sehe, dann hat es in dem Fall zwei Probleme. Es hat nicht nur zu wenig Lernende, sondern diese sind auch teils nicht ausreichend ausgebildet? Das führt dann zum Resultat Fachkräftemangel ZahntechnikerInnen

Ja definitiv das ist so. Ich nehme Prothetik und Festsitzende Arbeiten an der Prüfung ab und sehe da leider Riesenunterschiede.

Gibt es denn keinen Prüfungskatalog, an den sich die Lehrbetriebe halten können, damit alle dann auf dem gleichen Level sind?

Doch. Und so ein Ausbildungsprogramm wird zum Lehrbeginn hin an die Labors verschickt. Dieses muss aber von den Labors auch eingesehen werden.

Als ich die Zahntechnische Lehre abgeschlossen habe, ich gebe zu, ist ein paar Jahre her, war das geforderte Prüfungswissen ca 1/3 Theorie 2/3 Praxis. Wie sieht das denn heute aus?

Da ist der Lehrplan noch gleich würde ich sagen. Die praktische Abschlussarbeit QV dauert 32 Stunden. Und in dieser Zeit gibt es 3 mündliche Prüfungen. Dies ist neu.

Die heutige Zahntechnik ist zur Hälfte digital

Der digitale Anteil in der Zahntechnik hat enorm zugenommen. Wieviel ist bei Ihnen heute im Labor noch analog?

Ich würde sagen ca 60% ist analog. Um ein Veneer, einen Frontzahn herzustellen braucht es das handwerkliche Knowhow. Aber Sie haben natürlich recht, der digitale Anteil wird jährlich grösser. Was auch in der Ausbildung stattfindet. Aus unternehmerischer Sicht ist es zudem wichtig zu investieren. Und die digitalen Tools zu nutzen. Ich habe gerade eine neue Fräsmaschine bestellt, die kostet 95000 Franken.

Das müssen Sie auch wieder amortisieren.

Ja und dabei wird verlangt, dass die Produkte immer günstiger werden.

Tönt nach Divergenz.

Das ist eine schwierige Entwicklung, genau. Wir müssen aufpassen, dass wir mit den Preisen nicht dumpen wie das zum Beispiel gewisse Industrie-Labor tun. Wenn wir anfangen die Preise so zu senken kann die Infrastruktur und die gut ausgebildeten Fachkräfte nicht mehr bezahlt werden.

Inwiefern spüren Sie da diese Konkurrenz?

Seit es zum Beispiel Industrie- Labor gibt, stelle ich ganz klar fest, dass wir die einfachen Arbeiten, wie Seitenzahnkronen nicht mehr so oft bekommen, sondern meist nur noch die komplexen, aufwändigen Fälle. Wo es Beratung braucht oder dass Jemand in der Praxis vorbeikommt. Natürlich werden diese schwierigen Fälle teurer verrechnet als eine Seitenzahnkrone. Aber der Preisunterschied kompensiert den Aufwand nicht. Mit den einfachen Kronen machte man früher den guten Umsatz. Einen komplizierten Frontzahn muss man vielleicht zweimal machen.

Sie selbst, Ihr Labor bildet auch ZahntechnikerInnen aus?

Ja. Sogar am meisten im ganzen Kanton Aargau. Ab nächstem Sommer haben wir 4 Lehrstellen besetzt.

Laborinhaber Roland Zellweger und Lernende ZahntechnikerInnen

Welche schulischen Voraussetzungen braucht es denn für eine Zahntechnische Lehre?

Die Sekundarschule oder die Bezirksschule. Gerade bei Bezirksschülerinnen merkt man schon, dass diese viel besser in der Gewerbeschule sind. Einmal hatte ich eine Lernende welche die BM (Berufsmatura) gemacht hat. Obwohl bei Ihr dann die Ausbildung einen höheren theoretischen Teil hatte, hatte sie doch eine der besten Abschlüsse gesamthaft.

Die Anzahl der Zahntechnischen Lernenden bewegt sich in der Schweiz pro Jahrgang im zweistelligen Bereich. Gewerbeschulen wurden gar geschlossen. Die Lehre dauert 4 Jahre im Vergleich zu anderen Ausbildungen ist das lang. Der Beruf scheint nicht sonderlich begehrt zu sein?

Das trifft zu und ich glaube es wird in Zukunft weniger Zahntechniker brauchen.

Weniger ZahntechikerInnen brauchen? Nicht geben? Ist das Ihre Prognose?

Ja, das denke ich. Weniger aber dafür besser ausgebildete Fachkräfte. Gerade auch die Kommunikation ist heute wichtiger denn je und findet auf Augenhöhe mit den ZahnmedizinerInnen statt. Mittlerweile bin ich nicht mehr jünger als meine Kunden und diese sind meist auch froh, dass ich etwas Erfahrung habe.

Es braucht also definitiv gut ausgebildete ZahntechnikerInnen?

Absolut!

Wie kann denn dem Fachkräftemangel ZahntechnikerInnen welcher ja Auswirkungen auf die ganze Branche hat, entgegengewirkt werden? Ein hoher Prozentsatz der jungen Menschen, welche eine zahntechnische Lehre abgeschlossen haben, bleiben nicht auf dem Beruf.

Das ist schade. Für mich sind die Mitarbeiter das Wichtigste. Das sollte man auch zeigen. So offeriere ich zum Beispiel gleitende Arbeitszeiten, um den Arbeitsplatz attraktiver zu machen und zahle auch Löhne die über dem vorgegebenen Mindestlohn von Fr. 4000.—liegen. Und ich investiere in die Ausbildung meiner TechnikerInnen. Nur mit gutausgebildeten Fachkräften kann ich ein erfolgreiches Labor sein. Die Wertschätzung ist für die Mitarbeiter sicher eine Motivation, um auf dem Beruf zu bleiben.

fachkräftemangel ZahntechnikerIn Marion gredig im interview mit Roland Zellweger
Roland Zellweger im Interview mit Marion Gredig

Vielen Dank fürs Interview Herr Zellweger! Ihnen weiterhin alles Gute und den Lernenden natürlich viel Freude und Spass an der Zahntechnik!

Infos zur Zahntechnischen Ausbildung gibt es bei Swiss Dental Laboratories

Beitrag über die Diplomabschussfeier der ZahntechnikerInnen

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